Zwischen Parkverbot Und Grünem Meer - 20 Jahre Hanfparade (teil 3) |
Kategorie: Hanfparade | |
geschrieben von: Hanfparade | geschrieben am: 29.07.2016 um: 22:21 Uhr |
In den zwei Jahrzehnten, die die Geschichte der Hanfparade inzwischen umfasst, wurde es nie langweilig, Deutschlands größte Legalisierungsdemo zu organisieren. Der Euphorie der Neunziger folgte mit dem Jahrtausendwechsel die Ernüchterung, doch das schwerste Stück Weg lag noch vor den OrganisatorInnen. Das Jahr 2004 war für deutsche HanffreundInnen kein Gutes. Konflikte und Verdrängungskämpfe in der Szene brachten ein Messesterben, ließen Vereine implodieren und so manchen Aktiven nach neuen Aufgaben Ausschau halten. Die Stimmung in der Bevölkerung, die zehn Jahre zuvor geradezu hanfeuphorisch war, hatte sich gedreht, was nicht zuletzt der Spiegel-Titel "Die Seuche Cannabis" für jeden sichtbar machte. Unschöner Höhepunkt der Demonstration war die Verhaftung der Kinder des Hanfverarbeiters Rainer Nowotny. Die damals 8 und 11 Jahre "alten" ÜbeltäterInnen saßen unerlaubt in einem mit Nutzhanf gefülltem PKW und hatten (ACHTUNG! Gefahr!) "einzelne Blätter der [rauschunwirksamen] BtM-verdächtigen Pflanzen durch das halb geöffnete Fenster an Hanfparade-TeilnehmerInnen abgegeben, ohne dabei einen finanziellen Vorteil anzustreben". Zum Glück ahnten die übereifrig agierenden Beamten nicht, dass sich das verabscheuungswürdige Verbrechen im Kinderland auf der Abschlusskundgebung hundertfach wiederholen sollte. Alle NutzhanffreundInnen zu verhaften, wäre an diesem Tag wohl logistisch unmöglich gewesen. Ausnahmsweise war es im Jahr danach jedoch das Umweltamt, das der Hanfparade Steine in den Weg legte. Nur drei Tage vor dem Event verbot es die Abschlusskundgebung, weil "unkalkulierbare Schäden am Austragungsort Mauerpark" befürchtet wurden. Statt Bühnenprogramm, Hanfkultur und politischen Spaß erwartete die lediglich rund 1.000 TeilnehmerInnen zur Schlusskundgebung eine selbst für Anwohner unpassierbare Polizeiabsperrung. Da sich die TeilnehmerInnen trotz gegenteiligen polizeilichen Lagebildes nicht provozieren ließen, fragte das Neue Deutschland am Tag danach zu Recht, ob eine Handvoll Rasensamen für das Land Berlin nicht deutlich billiger gekommen wäre. Die Polizei rechtfertigte ihr Auftreten mit "Gegenprotesten", die es tatsächlich gegeben hatte. Ein gutes Dutzend Punks baute in der Kastanienallee eine kleine, feine, lautstarke Straßenblockade auf. Als sich die Hanfparade näherte, skandierten sie "Keine Steuer, sonst wird Gras zu teuer!" und "Anarchie statt Legalisierung!". Nach der die Beamten völlig konsterniert zurücklassenden Aktion sickerte die bunte Truppe ebenso gutgelaunt wie friedlich in den Zug ein. Alt-Schulden, Besucherschwund, Polizeischikanen - Die Vorzeichen für die Jubiläumsparade 2006 standen nicht gut. Im Orgateam machte sich indes nicht Frust sondern Trotz Luft. Torsten Dietrich plante Großes. Eine handvoll Freiwilliger "besetzte" einen ungenutzten Bereich der Hanffaserfabrik und produzierte 10.000 Hanfpflanzen in Töpfen, die auf Paletten verladen, nach Berlin gekarrt, als Dekoration auf der Hanfparade 2006 dienen sollten. Intensive Vorgespräche mit der Polizei und umfänglicher Briefwechsel mit Bundesinnenministerium sowie der Berliner Innenbehörde folgten. Am Ende schien alles "legal". Leider wusste Kriminalkommissar Freund (ja, so hieß er wirklich) nicht Bescheid und bekam beim samstäglichen Spaziergang am Brandenburger Tor beinahe einen Herzinfarkt als er das grüne Meer erblickte. Die Volksgesundheit im Auge und mit der Karriere im Blick witterte er ein groß angelegtes Programm zur Verbreitung von Drogenpflanzen. Kurzentschlossen telefonierte er eine Stunde mit der Staatsanwaltschaft, bis endlich der Befehl zum Abschneiden der Betäubungsmittellieferanten erteilt wurde. Arme unschuldige PolizistInnen wurden daraufhin Opfer heimtückischer Pflanzen, deren Fasern Taschenmesser und Würde der Beamten beschädigte. Die zum Schutz der Allgemeinheit durchgeführte Abholzung war derart offensichtlich bescheuert, dass sogar die Springerpresse Zweifel an der Nüchternheit der Entscheider anmeldete. Es ist nur Martin "Tribble" Steldinger zu verdanken, dass der Artikel an dieser Stelle nicht abrupt abbricht. Im Mai 2007 fasste sich der umtriebige Berliner ein Herz und verkündete: "Es darf nicht sein, dass es keine Hanfparade gibt. Zur Not mach ich's halt alleine." So weit musste er dann zum Glück nicht gehen, aber ohne seine Initiative hätte sich das neue Organisationsteam rund um den JaKiS e.V. wohl nie gefunden. So ging es mit neuer WoMenpower in die inzwischen 11. Auflage der Hanfparade. Damit sich Dergleichen im Folgejahr nicht wiederholen kann, zog die Hanfparade 2008 ins YAAM, einen bekannten Berliner Reggae Club. Die Polizei (zumindest in Uniform) musste draußen bleiben, schließlich befand man sich auf Privatgelände. Obschon dies von manchen SzenevertreterInnen heftig kritisiert wurde, war "die Flucht ins Private" nicht der Aufreger des Tages. Den lieferte der Landeschef der Jungen Liberalen als er (gegen die Parteilinie) in einer Presseerklärung die Legalisierung von Kokain forderte und dies im Rahmen seiner Rede auf der Hanfparade wiederholte. Die OrganisatorInnen, die für die Aussage objektiv nichts konnten, wurden im Anschluss aus der deutschen Hanfszene u.a. als "polytoxe Freaks", "Koksparadenmacher" oder "Technojunkies" bezeichnet, die "das Erbe von Jack Herer auf dem Aufmerksamkeitstrich verschleudern" und "die Legalisierung verraten haben". To be continued... |
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