Marlo Grosshardt


Kategorie: Orange Blossom Special
geschrieben von: Orange Blossom Special geschrieben am: 11.10.2023 um: 08:30 Uhr

Marlo singt schön provokant und nahbar über die Welt, die ihn umgibt. Der zweiundzwanzigjährige Hamburger hat etwas zu sagen, hat Haltung, einen klaren Blick - aber auch eine Sehnsucht nach dem guten Ende, dass er dichterisch und souverän zu beschreiben weiß. Entsprechend packt er seine kritischen Texte in ein poetisches Singer-Songwriter Pop-Gewand, das nie zu kuschelig gerät. Früher hätte man ihn vielleicht einen Liedermacher genannt. Allerdings verzichtet er auf wohlfeile Slogans - seit er denken kann, verarbeitet er seine Sorgen und Ängste, seine Hoffnung und seine partielle Weltabscheu in eigenen Texten. Aus der Frage, wohin es ihn nach der Schulzeit zieht, entstand seine erste Single "Paradies". "Ich bau mein eigenes Paradies" ist seitdem seine Devise. Musikalisch und textlich hat Marlo Grosshardt Abwechslung im Programm: in "Ein Letztes Liebeslied", besingt er den romantischen Weltuntergang, in "Der Plan"versucht er sich in menschen zu versetzen, die es feiern, auf dem Rücken der Solidargemeinschaft zu leben, in "Christian Lindner" lässt Marlo seinen Frust am Liberalismus aus. Schön vulgär geht es mitunter zu, "in Thailand ficken", schön verzweifelt auch "lass uns trinken, auf dass es bald vorbei ist." Dabei gelingen ihm wirklich große Songs wie "Jungfernstieg", in dem er resignierend Alltagslyrik mit großen Gefühlen und auf den Punkt gebrachter Beobachtungsgabe kollidieren lässt - und das musikalisch so geschmackvoll umsetzt, dass man Tränen in den Augen hat.

Marlo äußert seinen Blick auf die Gesellschaft durch Zuspitzungen , wie man sie vielleicht von Faber kennt, an dessen Stimme er auch hier und da erinnert. Aber auch die reflektierte Nabelschau, die sarkastische Sicht auf sich selbst hat Platz in seiner Welt, in Momenten, in denen auch die künstlerische, fein ziselierte Kaffeehaus-Lyrik Hotel Riminis zum Vorschein kommt. Kalenderblatt-Weisheiten wird man hier nicht finden.

Marlo Grosshardt beschränkt sich nicht auf Stimme, Text und Lied - alles was Saiten und Tasten hat darf mit, vereinzelt auch Blasinstrumente. Die fünfköpfige Besetzung sorgt für Abwechslung, vom reduzierten Akustik-Pop-Setting zum lauten, schwungvollen, Vierviertel-Schunkler. "Das ist so richtig herrlich melancholisch" befindet Frank Eichstädt (Delta-Radio), "schön, direkt, kratzig, nachdenklich, hoffnungsvoll und provokant zugleich". Genau. Ich muss mich nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen um zu prognostizieren, dass Marlo Grosshardt nicht mehr lange brauchen wird, um zu den Berühmtheiten unter den deutschen Indie-Künstlern gezählt zu werden.

(Foto: Elias Martens)

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