The Slow Show


Kategorie: Orange Blossom Special
geschrieben von: Orange Blossom Special geschrieben am: 02.02.2024 um: 09:30 Uhr

Alle, die 2015 beim OBS 19 zugegen waren, werden sich an den damaligen Auftritt der britischen Band erinnern. In der an musikalischen und stimmungsvollen Höhepunkten nicht armen Geschichte unseres Festivals sticht dieses Konzert noch heraus. Komprimierter war die einende Wirkung von Musik und den mit ihr einhergehenden Emotionen selten zu spüren. Eine durchgängige Andacht legte sich wie ein wärmender, Zuflucht bietender Mantel aus Samt und Liebe über den Garten, die Menschen waren dem vielleicht schäbigen Jetzt mit Problemen und Problemchen entrissen, es war ein kathartischer Moment, eine in ihrer Konsequenz Spuren hinterlassende Erfahrung. Ja, man kann es so ausdrücken: es war eine Offenbarung.

Ich erinnere mich an jedes Detail. Noch kurz vor dem Auftritt war die Band extrem nervös. Während Kill It Kid, die vor ihnen auftraten, die ekstatische Rock-Achterbahn aufbauten, standen sie versteckt am Rande der Bühne. Alles um sie herum tanzte, jubelte, johlte. Ich ging zu ihnen, begrüßte sie und stellte mich vor. "Du hast uns gebucht?" fragte Rob Goodwin, The Slow Shows Sänger, fast flüsternd, "aber kennst du unsere Musik? Hast du uns schon mal live gesehen? Wir sind eine leise Band, die Leute werden uns hassen nach dieser grandiosen Rockshow zuvor, die werden alle abhauen" barmte er, verzweifelt. Ich versuchte sie zu beruhigen. "Ja, natürlich kenne ich euer Musik, ich habe euch zuvor mehrfach live gesehen, ich weiß, worum es bei euch geht. Deswegen habe ich euch an genau diese Stelle im Programm gesetzt. Denn glaubt mir, das Publikum weiß, dass an dieser Stelle, zum Ausklang des Festivals, ganz besondere Konzerte stattfinden. Mit Grandezza, mit Stil, gerne leise, immer emotional. Sie erwarten genau das. Und sie werden euch zuhören." Er seufzte.
Ich merkte - die glaubten mir kein Wort.
Die Band ging fast verstohlen auf die Bühne. Der erste Ton erklang - das Publikum mucksmäuschenstill. Nach wenigen Augenblicken machte sich Ergriffenheit breit. Nach dem ersten Stück: frenetischer Jubel. Der zweite Titel: dasselbe Spiel. Hier war innerhalb von Minuten etwas ganz Besonderes entstanden, ein Synthese aus Geben und Nehmen, aus Verständnis und Vertrauen. Während des dritten Songs ging Rob zur Bühnenecke am Balkon, wo wir standen. Er beugte sich leicht herab zu uns, klatschte uns befreit und dankbar ab. Er hatte Tränen in den Augen. Ihr Auftritt wurde ein unbeschreibliches Erlebnis, ein unvergleichliches, bittersüßes Gefühlskino, völlig unkitschig und magisch.
Seit 2015 ist viel passiert, sie wurden größer, haben auf mittlerweile fünf Alben neues Territorium erkundet, sind nicht stehen geblieben, behielten aber stets die ihnen zu Grunde liegenden Texturen bei.
Ihre epischen Songs schwingen sich von behutsamem Folk zu tosenden Hooks und Refrains auf. Schwer persönlich sind diese Lieder über Liebe und Tod, die es tatsächlich schaffen, ihr Publikum zu bedächtigem Schweigen, sogar zu Tränen zu rühren. Wir waren dabei. Wir haben's gesehen. Und gehört. Goodwins herzerweichender Bariton, oft nur gesprochen, fast geflüstert, ist nach wie vor stoisch und gleichzeitig schwelgerisch, der Sound der Band ist voller Grandezza und doch voller Demut. Die Texte können ihrer Nähe, Fürsorge und Empathie gar nicht entkommen. Musik für Herz und Seele. Man schweigt ergriffen, seufzt, verliert sich in der Tiefe der Songs dieser besonders stimmungsvoll zu Werke gehenden Band. Ihr OBS-Konzert wird einer der sehr raren Deutschland-Auftritte in diesem Sommer.

Letzte Band am Sonntag. Ein tiefgründiger, erhabener Abschluss des OBS.
Danach alle: The Slow Show gesehen. Geweint.

(Foto: Liam Maxwell)

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